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Wir und das Universum – eine optische Täuschung?

Für uns ist seit jeher klar: wir leben in einer dreidimensionalen Welt mit Länge, Breite und Höhe. Und wenn wir die Zeit noch dazunehmen sogar in einer vierdimensionalen. Bisher hat daran niemand gezweifelt, manche Wissenschaftler nehmen sogar an, dass es noch mehr Dimensionen gibt, die für uns Menschen aber nicht wahrnehmbar sind.

Bis jetzt, wohlgemerkt. Denn in letzter Zeit kommen immer wieder Zweifel an diesem Weltbild auf: manche Wissenschaftler könnten sich tatsächlich vorstellen, dass unser gesamtes Universum, zumindest das, das wir sehen, lediglich zweidimensional sein könnte. Forscher des Fermi National Accelerator Laboratory (Fermilab), dem US-Amerikanischen Teilchenbeschleuniger in der Nähe von Chicago, Illinois, wollen mit einem eigens dazu konstruierten Gerät sogar den Beweis dafür antreten.

Eine zweidimensionale Welt ist für uns Laien gänzlich unvorstellbar, können wir doch Gegenstände greifen, umfassen, in das Innere eines Gefäßes sehen, in die Luft springen, in die Tiefe tauchen und vieles dergleichen mehr. So richtig vorstellen, glaube ich, werden sich das wohl auch die betreffenden Wissenschaftler nicht können. Und trotzdem: sie sagen, das gesamte Universum wäre durchaus als zweidimensionales Gebilde erklärbar, mitunter sogar besser, weil es die Widersprüche zwischen Relativitätstheorie und Quantenphysik negieren könnte. Das Aussehen unserer Welt, wie wir sie empfinden, argumentieren sie, sei lediglich eine optische Täuschung. In Wirklichkeit sei alles, was wir sehen, eine zweidimensionale Abbildung auf einer ebenen Fläche – ein Hologramm. Unvorstellbar groß natürlich und unvorstellbar exakt. So perfekt, dass es sehr schwierig ist, diese Holographie überhaupt nachzuweisen. Die einzelnen Pixel, auf denen die Bildpunkte gespeichert sind, seien Milliarden Mal kleiner als ein einziges Elektron, und die Zeitabstände, die nötig sind, um den dreidimensionalen Effekt zu erzeugen, so gering, dass er mit keiner Apparatur der Welt gemessen werden könnte. In der Theorie aber sind das alles keine Probleme.

Hologramme kennen wir mittlerweile alle. Seit langem etwa gibt es diese Postkarten, auf denen zum Beispiel Pferde einmal stillstehen und dann wieder galoppieren, je nachdem, wie man die Karte gerade hält oder darauf blickt. In den letzten Jahren sind 3-D-Filme in Kinos fast schon zum Standard geworden, und neuerdings kann man sich diese Technik auch mit neuartigen TV-Geräten ins heimische Wohnzimmer holen. Was also immer unabdingbar ist, um ein Hologramm auch wirklich dreidimensional wahrzunehem, ist Bewegung, entweder die des Bildes oder die unserer Augen. Und für die Bewegung wiederum ist die Zeit unverzichtbar, so gering sie auch sein mag.

Die Zeit also wird durch die Theorie der holographischen Welt nicht angetastet. Sie stellt so etwas wie eine übergeordnete Dimension dar, durch die die Holowelt erst wahrnehmbar wird.

Wenn aber eine Welt zweidimensional ist, kann sie dann auch unendlich sein?

Unter Zweidimensionalität stellen wir uns immer etwas Flaches vor, mit Begrenzung nach allen Seiten hin, eine Fläche eben. Aber muss das so sein?

Nehmen wir einen Streifen Papier und halten die beiden Enden aneinander. Nun drehen wir das eine Ende um 180° und kleben es auf das andere drauf. Was wir dadurch geschaffen haben, nennt sich „Möbiusband“.

 

 

Dieses hat weder eine Ober- noch eine Unterseite, und es hat nur eine Kante. Das erscheint uns paradox, denn wenn wir drauf schauen, dann sehen wir doch links und rechts eine Kante, und wenn wir das Band betrachten, dessen Urzustand wir immer noch im Kopf haben, dann glauben wir doch fest, dass unter dem Abschnitt, den wir sehen, die Unterseite sein müsse. Aber nein, es ist tatsächlich eine optische Täuschung. Fahren wir mit dem Finger an der Seite entlang bis wir wieder am Ausgangspunkt angekommen sind, werden wir feststellen, dass wir auch an der vermeintlich gegenüberliegenden Seite vorbeigekommen sind. Das gleiche gilt für die Oberfläche des Gebildes, der Farbtest beweist es: setzt man an einer Stelle an und färbt das Band ein, dann wird man sehen, dass man an den Startpunkt zurückkommt und dabei alles eingefärbt hat. Es gibt kein Oben und Unten mehr. Aus unserem zweidimensionalen Streifen Papier ist ein dreidimensionales Gebilde geworden, das wir aber nur aus unserer vermeintlich höheren Dimension und aufgrund unseres Erfahrungsschatzes als solches erkennen. Doch die Besonderheiten des Möbiusbandes gehen noch weiter. Fassen wir nun den Streifen an einer Stelle zwischen Daumen und Zeigefinger, so befinden wir uns also tatsächlich gleichzeitig auf der selben Seite des Bandes, nur an räumlich voneinander getrennten Positionen, und stechen wir mit einer Nadel durch das Band, kommen wir auf der selben ebenen Fläche, nur an einer völlig anderen Stelle heraus, an der wir mit dem Zeigefinger erst später angekommen wären.

Erinnert uns das an etwas?

Allerdings, tut es das. Es entspricht in etwa dem, was Albert Einstein  und Nathan Rosen schon 1935 (als Einstein-Rosen-Brücke) postuliert haben und das heutzutage in Wissenschaftlerkreisen als Wurmloch in der Diskussion steht. Empirisch nachgewiesen wurden Wurmlöcher zwar noch nicht, aber in der Theorie geht man sogar schon so weit, dass in ferner Zukunft sogar Menschen durch solche astrophysikalischen Wurmlöcher in andere, weit entfernte Gegenden des Universums bzw. in die Vergangenheit oder Zukunft reisen könnten, was, wie wir gesehen haben, nicht unbedingt widersprüchlich sein muss. Einstein und Rosen sowie auch viele andere Wissenschaftler der Gegenwart einschließlich Stephen Hawking gehen zwar von einem dreidimensionalen Universum aus und führen diese möglichen Wurmlochkonstrukte auf Gravitation und Raumkrümmung zurück, jedoch lassen sie sich, wie wir gesehen haben, auch in einem zweidimensionalen Universum erklären.

Das Wurmloch in einer zweidimensionalen Welt in Form eines Möbiusbandes ist also geeignet, eine sekundenschnelle Reise zu einer anderen Galaxie oder in eine andere Zeit zu erklären. Was aber ist mit anderen Welten, den Paralleluniversen, deren Existenz, wenn man den Theorien vieler Wissenschaftler (einschließlich Stephen Hawking) glauben darf, so gut wie erwiesen ist?

Parallelwelten seien, so liest man immer wieder, so wie unsere eigene, die wir kennen, nur immer ein bisschen anders. In einer Parallelwelt hätten wir selbst vielleicht einen anderen Beruf, oder Frau Merkel wäre nicht Bundeskanzlerin von Deutschland, sondern vielleicht Frau von der Leyen. Also selbstähnlich, würden Befürworter der Chaostheorie sagen (auch eine fantastische Theorie, doch dazu ein andermal mehr). Einen empirischen Beweis, dass es Parallelwelten gibt, hat noch niemand erbracht, aber Berichte über mögliche Begegnungen damit liest man immer wieder. Unerklärliche Déjà-vus zum Beispiel oder Personen einer anderen Welt, die plötzlich durch die Wand in unser Wohnzimmer kommen und genauso wieder verschwinden. Oder dass sich Menschen selbst zwischenzeitlich ganz unvermittelt an einem anderen ihnen unbekannten Ort befinden. Wenn es also Paralleluniversen gibt, dann müssen sie an bestimmten Stellen und/oder zu bestimmten Zeiten durch irgendwelche Ereignisse Brücken zueinander aufbauen bzw. löchrig sein.

Betrachten wir noch einmal ein holographisches Universum, das aufgebaut ist wie ein Möbiusband. Schneiden wir unser Möbiusband der Länge nach auf, entsteht ein zweifach verdrillter Ring mit jetzt plötzlich wieder Ober- und Unterseite und Rändern links und rechts. Schneidet man nochmals der Länge nach durch, bekommen wir zusätzlich wieder ein Möbiusband, das aber im anderen Ring hängt. Bei Wikipedia heißt es weiter: „Viertelt man das Band, entstehen zwei doppelt verdrillte Bänder, die nicht nur ineinander hängen, sondern auch noch einmal häufiger umeinander geschlungen sind. Fünftelt man es, entsteht dieselbe Figur mit einem zusätzlichen Möbiusband, das in beiden Ringen hängt. …“ Das kann man beliebig oft fortsetzen, aber immer sind alle Bänder ineinander verschlungen und bei jeder ungeraden Teilung hängen diese zusätzlich in einem echten Möbiusband. Noch komplizierter wird es, wenn wir uns das Möbiusband als Schlauch vorstellen, wissenschaftlich als Kleinsche Flasche bezeichnet. Hergestellt kann sie nur werden, wenn sie sich selbst durchdringt, jedoch hat auch sie nur eine Oberfläche, die sowohl innen als auch außen ist. Könnte man diese Flasche nun der Länge nach zweischneiden, würde man zwei Möbiusbänder erhalten. Ineinander verschlungen natürlich. Würden diese sich wieder zu Schläuchen schließen und wir sie wieder teilen, bekämen wir beliebig viele Kleinsche Flaschen, die irgendwie alle ineinander hängen. Wenn unser Multiversum, wenn es das wirklich gibt, so aufgebaut wäre, gäbe es dementsprechend unzählige Berührungspunkte bzw. Übergänge, die vermittels zufällig entstehender oder gezielt erschaffener Wurmlöcher begehbar wären.

Diese theoretischen Betrachtungen sind hier aber noch lange nicht zu Ende. Verwandte Modelle zur Erklärung des oder der Universen sind der Anti-de-Sitter-Raum, in dem Gleichungen der Relativitäts- und der Quantenfeldtheorie gleiche Ergebnisse liefern, und die Calabi-Yau-Mannigfaltigkeit, der sogar 11 Dimensionen zugesprochen werden (die von uns wahrgenommenen 3 Raumdimensionen plus die Zeit als vierte Dimension inbegriffen), von denen aber 7 so winzig klein sind (10-33 m), dass sie nicht nachweisbar, sondern nur theoretisch berechenbar sind. Aber auch sie wären geeignet, einen Erklärungsansatz für eine holographische Natur unseres Universums zu liefern.

Sollte jetzt jemand etwas verwirrt sein, so bedenke er doch bitte, dass all das nur Theorie ist und dass all das nichts an unserem Leben ändert. Wäre unsere Welt ein Hologramm, so könnten wir wie Morpheus, Neo und Trinity an Wänden hochlaufen und Gewehrkugeln ausweichen, weil all das ja nur imaginär wäre. Und sollte das Fermilab tatsächlich die Zweidimensionalität unserer Welt bestätigen, wird sich für uns wohl auch nichts ändern, auch wenn wir uns alles im reellen Leben nur einbilden. Wir würden trotzdem alles noch dreidimensional empfinden, das in der Zeit dahingleitet.

Dieser Artikel ist erstmals erschienen in: Terra Utopia Magazin 5, Hrsg. Hermann Schladt, Nov. 2015